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Gelöscht? Vergessen? Oder für immer im Netz?

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«Gelöscht? Vergessen? Oder für immer im Netz?»

 

Immer wieder klagen Betroffene über unerwünschte Inhalte, die man im Internet über sie findet. Sie fühlen sich durch die Inhalte in einem falschen Licht dargestellt und fürchten um ihren Ruf oder den Ruf ihrer Unternehmung. Dann wird insbesondere das Verlangen der Betroffenen nach Einhaltung des Datenschutzes gross.

 

Welche Möglichkeiten gibt es in der Schweiz und in der EU grundsätzlich, wie werden diese umgesetzt. Dies wird im Folgenden kurz dargelegt.

 

Pflichten des Datenbearbeiters

Wer Daten bearbeitet, braucht dafür grundsätzlich eine gesetzliche Grundlage oder eine Einwilligung. Zudem dürfen die Daten nur soweit bearbeitet werden, wie unbedingt notwendig. Zudem muss der Datenbearbeiter sicherstellen, dass die Daten                                                                                                     richtig sind.

 

Recht auf Berichtigung

Das Recht auf Berichtigung kann jede Person geltend machen, die von einer Bearbeitung unrichtiger Daten betroffen ist. Ist die betroffene Person der Meinung, dass seine Daten, die vom Datenbearbeiter berechtigterweise bearbeitet werden, falsch sind, hat er ein Recht auf Berichtigung. Dies sieht sowohl das EU Recht in Art. 16 DSGVO, als auch das Schweizer Recht in Art. 5 Abs. 2 DSG vor.

Dafür muss der Anspruch auf Berichtigung geltend gemacht werden.

 

Recht auf Datenlöschung

Wenn die betroffene Person der Meinung ist, der Datenbearbeiter dürfe ihre Daten nicht/nicht mehr bearbeiten, beantragt sie eine Löschung. Faktisch entzieht sie dem berechtigen Datenbearbeiter nachträglich die Einwilligung zur Datenbearbeitung.  Falls der berechtigte Datenbearbeiter über eine gewisse Zeit schon Bearbeitungen vorgenommen hat, kann es sein, dass eine vollständige Löschung nicht möglich ist, weil der Datenbearbeiter seinerseits gesetzlich verpflichtet ist, seine Geschäftstätigkeit zu dokumentieren, was eben auch den Nachweis über die entsprechende Datenbearbeitung beinhalten kann. Zudem kann es technisch schwierig sein, die Daten effektiv auch auf Backups oder Archivbändern zu löschen.

 

Um eine Löschung zu beantragen, wird ein Löschungsbegehren an den Inhaber der Datensammlung gestellt. Eine Vorlage für ein solches Schreiben findet sich auch auf der Seite des EDÖB. Der Inhaber der Datensammlung ist dann verpflichtet, die Daten dieser betroffenen Person zu löschen. Dies geschieht durch mehrmalige Überschreibung des Datenträgers.

 

Recht auf Vergessen

Die neuen Technologien setzen das Recht auf Vergessen in einen neuen, sich dauernd wandelnden Kontext. Das Recht auf Vergessen kann begriffen werden als die Möglichkeit, über die eigenen digitalen Spuren und das eigene Online-Leben (privat oder öffentlich) zu bestimmen. Das Internet vergisst nicht!

 

In Blogs, sozialen Medien, Diskussionsplattformen oder -foren hinterlassen die Internetnutzerinnen und -nutzer zahlreiche Spuren im Netz. Texte, Fotos, Videos und andere Dokumente werden veröffentlicht und damit praktisch zeitgleich für eine unbestimmte Zahl von Personen auf der ganzen Welt zugänglich gemacht.  Aber auch beim Surfen im Web hinterlassen die Internetuser ungewollt Spuren (IP-Adressen, Abfragen in Suchmaschinen etc.). Solche Inhalte können auch ohne Zustimmung der betroffenen Personen oder gar ohne ihr Wissen veröffentlicht werden. Internetcontentprovider sind deshalb immer wieder mit Anfragen auf Löschung alter Inhalte konfrontiert. Die Contentprovider sind nicht die Inhaber der Datensammlungen, die die Verantwortung für die Bearbeitung aus Gesetz oder direkter Einwilligung der betroffenen Person erhalten haben.

 

Sie stellen einen Dienst im Internet zur Verfügung, der von verschiedenen Usern genutzt wird oder wurde. Internetcontent aufzufinden und auf Anfrage zur Verfügung zu stellen ist die Rolle der Internetcontentprovidern. Da das Internet nicht vergisst, gibt es auch viel zwischenzeitlich heimatlosen Content, und dieser kann durch Provider gelöscht oder mindestens nicht mehr angezeigt werden.

 

Das Bundesgericht hat sich wiederholt intensiv mit dem Recht auf Vergessen auseinandergesetzt und festgestellt, dass sogar bei einer Person der Zeitgeschichte ein Geschehen nach einer gewissen Zeit wieder dem Bereich der Intim- und Privatsphäre zugeordnet werden kann. So hat es im wegweisenden Entscheid BGE 109 II 353 im Sinne eines Straftäters entschieden, dass dessen schweren Straftaten nach einer bestimmten Dauer nicht mehr Gegenstand öffentlicher Bekanntmachung sein dürfen. Ein Mensch soll nicht ein Leben lang an den Pranger gestellt werden können.

Das Recht auf Vergessenwerden ist mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.05.2014 (EuGH C 131/12) stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung am 28.05.2017 wird das Recht auf Vergessenwerden bzw. das Recht zur Löschung in der EU kodifiziert.

 

Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn:

  • Die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind
  • Die betroffene Person ihre Einwilligung widerruft und es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt
  •  Die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegt und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen
  •  Die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden
  •  Die Löschung der personenbezogenen Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich ist
  •  Die personenbezogenen Daten eines Kindes wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft, d. h. Internetangebote, wie Medien, Webshops oder Online-Spiele, erhoben.

 

 Tabelle zur Übersicht: Recht auf Berichtigung und Recht auf Löschung

Was

Rechtsgrundlage

Antragsteller

Adressat

Formvorschrift

Für die Geltendmachung

Frist

Rechtsbehelf/

Rechtsmittel

Recht auf Berichtigung einzelner unrichtiger Daten bei grundsätzlich rechtmässiger Datenbearbeitung

Art. 5 Abs. 2 DSG

Art. 16 EU-DSGVO

Betroffene Person

Private Datenbearbeiter

Bundesorgan

Datenbearbeiter

Keine explizite Formvorschrift

Keine

 

 

 

jederzeit

Art. 15 DSG: Klagen zum Schutz der Persönlichkeit (Art. 28, 28a, 28l ZGB)

Unterlassungs-, Beseitigungs-, Feststellungsklage

Art. 25 DSG:

Unterlassungs-, Beseitigungs-, Feststellungsklage

Recht auf Löschung («Recht auf Vergessen»)

Indirekt aus Art. 4 DSG

Art. 17 EU-DSGVO

Betroffene Person

Inhaber der Datensammlung

Verantwortlicher

Keine explizite Formvorschrift

Keine

Art. 15 DSG: Klagen zum Schutz der Persönlichkeit (Art. 28, 28a, 28l ZGB)

Unterlassungs-, Beseitigungs-, Feststellungsklage

Art. 25 DSG:

Unterlassungs-, Beseitigungs-, Feststellungsklage

 

Zusammenfassung

Das Recht auf Berichtigung sowie das Recht auf Löschung sind datenschutzrechtliche Individualrechte (wie Art. 8 DSG Auskunftsrecht, Art. 15 DSG Rechtsansprüche und Art. 25 DSG Ansprüche gegen Bundesorgane). Während das Recht auf Berichtigung explizit im Schweizer DSG erwähnt wird, kann das Recht auf Löschung indirekt aus Art. 4 DSG abgeleitet werden.

Beim Recht auf Vergessen handelt es sich nicht um ein neues Konzept. Es kommt in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen bereits zum Ausdruck. Die EU-DSGVO nennt es explizit in Art. 17. Die Frist für die Löschung der Vorstrafen im Strafregister ist ein solches Beispiel.

 

Es empfiehlt sich jedoch, beim Teilen der Daten mit anderen sich über deren Konsequenzen bewusst zu werden. Denn das Löschungsverfahren ist oftmals ein langwieriges und dass das Internet komplett vergisst oder vergessen kann, ist (auch nach Aussage des EDÖB) illusorisch.

 

 

Ursula Sury ist selbständige Rechtsanwältin in Luzern, Zug und Zürich (CH) und Vizedirektorin an der Hochschule Luzern - Informatik. Sie ist zudem Dozentin für Informatikrecht, Datenschutzrecht und Digitalisierungsrecht.

 

Erschienen: IT-Business 01/19

 

 

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