Distributed Ledger und Governance
Bei der Distributed Ledger Technologie (DLT) werden gleichgestellte oder gleiche Kopien von Daten von unterschiedlichen Parteien unterhalten und weiterentwickelt.
Als Basis dafür wird heute häufig die Blockchaintechnologie gewählt, aber nicht nur. Der Unterschied zwischen der Blockchaintechnologie und anderen DLT Anwendungen liegen insbesondere in den Möglichkeiten, die die (Informations-) Verkettung (chain) bei der Blockchain mit sich bringt.
Die Möglichkeit über offene und transparente Datensätze Interaktionen zu unterstützen, könnte grosse Veränderungen in der Wirtschaft und im Staat mit sich bringen.
Die Transparenz und redundante Haltung identischer Datensätze macht Fälschungen jeglicher Art Schwieriger, das ist ein grosser Pluspunkt.
Je nach Art der Interaktion ist es auch möglich, traditionelle Vermittler, wie Banken, Treuhänder, Notare etc. auszulassen und somit kostengünstiger und schneller zu arbeiten.
Die Anforderung der Bewirtschaftung gleicher Inhalte durch verschiedene Parteien erfordert aber spezifische Regelungen, wie festgelegt werden soll, welche Informationen denn in den verteilten Datenbanken aufgenommen werden sollen.
Es stellen sich insbesondere folgende Fragen, die Governanceinstrumenten berücksichtigt werden müssen:
- Sind die Informationen überhaupt relevant für das konkrete Business
- Wer steht konkret hinter den Informationen? In einer offenen Blockchain ist dies zum Beispiel nicht nachvollziehbar. Habe ich verlässliche Ansprechpartner?
- Dürfen die Informationen überhaupt offengelegt werden? Je nach Design der DLT ist ein unterschiedlicher Adressatenkreis möglich. Schranken der Offenlegung können sich insbesondere aus dem Datenschutz, dem Urheberrecht, dem Wettbewerbsrecht oder gesetzlichen und vertraglichen Geheimhaltungen ergeben.
- Warum sind wir sicher, dass die Informationen stimmen? Wer garantiert dafür?
- Was dürfen Zufgriffsberechtigte Parteien mit den Informationen machen? An welche Regeln müssen sie sich halten und warum sind wir sicher, dass sie das auch machen? Gibt es entsprechende Kontrollen?
- Wie werden die Governanceinstrumente und die Regeln weiterentwickelt? Gibt es dafür Quoren?
Es gilt dabei zu unterscheiden zwischen Off-Chain-Governance, die ausserhalb und rund um die Blockchain vorgegeben wird und On-Chain-Governance, die direkt durch und auf dem Blockchain Protokoll vorgeben ist.
Dazu gibt es auch Branchenvorgaben, wie zum Beispiel diejenige der Crypto Valley Association in Zug.
Über die spezifische Organisation der Blockchain, mit einerseits den Erfindern/Initiatoren oder auch Foundern genannt und andererseits den Software Entwicklern oder Minern und in dritter Linie dann den Nodes Betreibern, wird Aufbau und Betreib einer Blockchain auch als Demokratisches Konstrukt verstanden. Die Software Entwickler wären dann die Legislative, was die nicht wollen entwickeln sie nicht, diese Gesetze wird es nie geben. Die Judikative wären dann die Node Betreiber, sie entscheiden, ob sie eine Software Entwicklung überhaupt akzeptieren, verwenden. Und die Initiatoren wären dann die Exekutive, die die Blockchain eben grundsätzlich betreibt/ausführt.
Das Abbilden und Betreiben von Inhalten und Prozessen in DLT impliziert und generiert grundsätzlich andere Möglichkeiten, Risiken und Verbindlichkeiten. Dies ergibt sich aus dem parallelen, d.h. gleichzeitig für alle zugänglichen und einsehbaren System und den darin enthaltenen Daten.
Diese Transparenz und Koordination, die diese Technologie mit sich bringt, erzwingt eine andere Vertrags- und Zusammenarbeitskultur als in klassischen Austauschverhältnissen. Die geheime Umsetzung von Eigeninteressen ist auf jeden Fall eingeschränkter möglich.
Diese Transparenz und Koordination bedingt gut durchdachte Verträge für die Konsensbildung und eine grosses Committment zu Vertragstreue auch in nachgelagerten oder vorgelagerten Prozessen.
Bei der Programmierung von Smarten Contracts muss zudem genau der Inhalt durchdacht werden, da Änderungen nur mit grossem Aufwand wieder möglich sind.
Nicht zu vergessen ist dabei jeweils, ob noch zusätzlich Hardware und Software mit spezifischen Verträgen für die Funktionsweise des Systems abgeschlossen werden müssen.
DLT sind auch ein geeignetes Vehikel um Businessprozesse und die dort verwendeten/gehandelten Assets zu dematerialisieren. Die Herausforderung in dieser neuen Welt von Tokens ist nebst der Frage, wie diese rechtlich zu qualifizieren sind, wie eine vertrauensvolle Verbindung zwischen physischer und digitaler Welt abgebildet und rechtlich begründet werden kann.
Fazit
DLT impliziert die Möglichkeit, umfassende Businesssysteme zu gestalten. Hauptmerkmale sind Transparenz und Impact fürs ganze System, bei Nichtcompliance. Für die beteiligten Akteure ergeben sich dadurch andere und neue Verbindlichkeiten, welche in neuen Arten von Governancesystemen umgesetzt werden. Die Umsetzung kann mit Smarten Contracts direkt auf der Chain oder Offchain erfolgen.
Ursula Sury ist selbständige Rechtsanwältin in Luzern, Zug und Zürich (CH) und Vizedirektorin an der Hochschule Luzern - Informatik. Sie ist zudem Dozentin für Informatikrecht, Datenschutzrecht und Digitalisierungsrecht.
Erschienen:Informatik Spektrum 04/19
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